Angst, Aggression, unbewusste Emotionen: Bei all diesen Empfindungen spielt unsere Amygdala eine wichtige Rolle. Die Amygdala verknüpft unsere Wahrnehmung der Umwelt mit unseren tiefsten Empfindungen und speichert dies im Langzeitgedächtnis. Dies hilft uns, unangenehme Erfahrungen in Zukunft besser zu vermeiden.
Aber was geschieht, wenn diese Umgebung völlig anders ist als früher? Hat dies einen (unbewussten) Einfluss darauf, wo wir uns wohlfühlen und wo nicht? Dies wurde von Forschern des Max-Planck-Instituts untersucht [1].
Es war bereits bekannt, dass das Risiko für die Entwicklung von Angst- und Gemütsstörungen in der Stadt größer ist als auf dem Land [2]. Die aktuelle Studie zeigt, dass Stadtbewohner, die in größerer Nähe zum Wald leben, eine gesündere Amygdala haben.
Die Teilnehmer der Studie entstammten der Berliner Altersstudie II (BASE-II). Insgesamt nahmen 341 Erwachsene im Alter zwischen 61 und 82 Jahren an der Studie teil. Neben Gedächtnistests wurden auch MRT-Scans der Amygdala und anderer Hirnareale, die an der Bewältigung von Stress beteiligt sind, durchgeführt. Aber wie konnte nun festgestellt werden, wie sich eine waldreiche Umgebung auf die Amygdala auswirkt?
Überraschenderweise wurden dafür keine Fragebögen verwendet. Stattdessen wurden die MRT-Daten mit GPS-Informationen zum Wohnort der Teilnehmer kombiniert. Auf diese Weise konnte bestimmt werden, wer in Waldnähe lebte und wer nicht. Dabei stellte sich heraus, dass Stadtmenschen, die näher bei einem Wald leben, eine gesündere Amygdalastruktur aufweisen. Eine gesunde Amygdala kann zu einer höheren Stressresistenz beitragen und negative Auswirkungen von Angst und anderen Emotionen auf das Individuum verringern.
Obwohl ein Zusammenhang zwischen einer gesunden Amygdala und dem Wohnen in Waldnähe gefunden wurde, wurde kein Zusammenhang zwischen der Amygdala und unbewaldeten städtischen Grünflächen, landschaftlich gestalteten Wasserflächen und unbebauten Flächen gefunden. Eine Joggingrunde im Park mag daher ansonsten gesund sein, hat aber vermutlich wenig Einfluss auf unsere Amygdala.
Es ist übrigens noch unbekannt, ob es sich hierbei um einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang handelt: Menschen mit einer gesünderen Amygdala könnten eine stärkere Neigung zeigen, in der Nähe von Wald zu leben – jedoch schätzen die Forscher die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Letztere zutrifft, als eher gering ein.
In jüngster Zeit wurden noch weitere Zusammenhänge zwischen dem Leben in der Stadt und dem Risiko für die Entwicklung seelischer Erkrankungen entdeckt. Eine entsprechende Studie wurde unlängst in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Demzufolge scheinen zwei bestimmte Hirnregionen besonders empfindlich auf den Einfluss der städtischen Umwelt zu reagieren. Und genau diese beiden Regionen sind an der Regulierung von Emotionen und Stress beteiligt.
Fazit der Forscher: „Das Risiko für Angststörungen ist bei Stadtbewohnern um 21 Prozent erhöht. Zudem sind sie einem um 39 Prozent höheren Risiko für Gemütsstörungen ausgesetzt. Weiterhin liegt die Inzidenz von Schizophrenie bei Individuen, die in der Stadt geboren und aufgewachsen sind, fast doppelt so hoch wie beim Rest der Bevölkerung. Der erste Schritt, um hier eine Lösung zu finden, besteht nun darin, herauszufinden, wie die dahinterliegende Biologie funktioniert.“
Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, unsere ursprüngliche evolutionäre Nische in unserer heutigen Lebenswelt so weit wie möglich wieder neu zu erschaffen. Nicht allein für unsere körperliche Gesundheit, sondern auch für unser psychisches Wohlbefinden. Wenn möglich, sollte man daher möglichst nah am Wald leben, um Stress und Ängste zu verringern.
Ist dies nicht möglich, sollte man sich zumindest regelmäßig ins Grüne begeben. Dabei ist ein langer Waldspaziergang oder ein in einer Hütte am oder im Wald verbrachtes Wochenende einem Aufenthalt im städtischen Grün vorzuziehen.
[1] Simone Kühn et al. In search of features that constitute an "enriched environment" in humans: Associations between geographical properties and brain structure, Scientific Reports (2017)
[2] http://www.douglas.qc.ca/news/1103?locale=en