In den letzten Wochen verdeutlichte sich immer mehr, welche Rolle Leptin für COVID-19 spielt und inwiefern dieses Hormon für die Entstehung von Komplikationen bei dieser Krankheit verantwortlich sein kann. Wir sehen ein zunehmendes Interesse am Wirkungsmechanismus dieses Stoffes und erklären Ihnen gern, was seine Funktion und Wirkung sind.Fettgewebe
Eine wichtige Aufgabe von Leptin ist seine Rolle beim Hunger- und Sättigungsgefühl und für den Energieverbrauch. Als Sättigungshormon sorgt Leptin nach Bindung an seinen Rezeptor im Nucleus arcuatus im Hypothalamus für das Signal, dass wir gesättigt sind. Leptin informiert unser Gehirn also über den Energiestatus des Körpers. Ist dieser ausreichend hoch, fühlen wir keinen Hunger, hören auf zu essen und haben Energie für diverse Aktivitäten; Leptin steigert dann auch den Energieverbrauch. Ist der Leptinspiegel niedrig, wird das Hungergefühl stimuliert, der Energieverbrauch reduziert und wir begeben uns auf die Suche nach Essen. Ist der Leptinspiegel jedoch permanent hoch, kann dies auf Dauer die Empfindlichkeit für Leptin mittels Reduktion der Rezeptorenzahl verringern: Wir werden leptinresistent. Dieses Phänomen sieht man öfter bei Hormonen; denken Sie dabei auch an eine Insulinresistenz (die übrigens eng mit Leptinresistenz zusammenhängt) oder Cortisolresistenz. Eine Folge der Leptinresistenz ist, dass unser Sättigungsgefühl abnimmt, wodurch wir zu viel essen können. Auch der Energieverbrauch nimmt dann ab.
Evolutionär betrachtet war das praktisch: Durch Verringerung des Energieverbrauchs sparte man in schweren Mangelzeiten Energie für das Überleben. In Zeiten des Überflusses führte eine Leptinresistenz dazu, dass wir zu viel essen und dadurch Fettgewebe aufbauen konnten, um hierin Energie zu speichern. Der Phänotyp, welcher in Zeiten des Überflusses am besten Fett speichern konnte, hatte einen Vorteil: Dieser Phänotyp hatte in Mangelzeiten angesichts seiner Energievorräte die höchsten Überlebenschancen. Zeiten des Überflusses dauerten in der Evolution wahrscheinlich nie lange, weshalb der Leptinspiegel eine natürliche Fluktuation kannte und Leptinresistenz wohl kaum ein Problem darstellte.
Wir leben heutzutage in einer Welt, in der Nahrung immer und im großen Überfluss vorhanden und zudem noch energiereich ist. Wie kommt es, dass wir - trotz unseres genialen Hunger- und Sättigungssystems - mühelos zu viel essen können? Die Antwort ist einfach: Weil das möglich ist. Zu viel essen können wir unter anderem, da viele Nahrungsmittel, die Teil unseres heutigen Ernährungsmusters sind, nach der Mahlzeit eine Entzündungsreaktion auslösen können: die postprandiale inflammatorische Reaktion (PPIR). Dadurch kann sich der Hypothalamus (vorübergehend) entzünden und unser Sättigungsgefühl wird (vorübergehend) ausgeschaltet. Passiert dies ständig, kann das den Leptinhaushalt beeinträchtigen: Wir fühlen keine Sättigung mehr und denken folglich, dass wir Hunger haben. Wenn wir andauernd mehr Energie zu uns nehmen als wir verbrauchen, produzieren unsere Fettzellen andauernd Leptin, um anzuzeigen, dass genug Energie vorhanden ist, und so kann schließlich die oben beschriebene Leptinresistenz auftreten. Dieses Phänomen spielt sich hauptsächlich im Gehirn ab. Dann sprechen wir von einer zentralen Leptinresistenz. In diesem Fall wird das Gehirn nicht mehr korrekt über den Energiestatus des Körpers informiert. Das Gehirn nimmt sozusagen nicht mehr wahr, dass ausreichend Energie vorhanden ist, im Gegenteil erfahren wir permanent einen Energiemangel. Das Sättigungssystem wird dadurch wirkungslos: Wir können nicht mehr gesättigt werden, essen weiter und bekommen es mit einem Energieüberschuss zu tun, wodurch das Fettgewebe anwächst und oft auch das Gewicht steigt.
Dieser Status der Hyperleptinämie mit zentraler Leptinresistenz liegt vielen Krankheitsbildern zugrunde, insbesondere den proinflammatorischen Krankheitsbildern. Leptin wirkt im Immunsystem proinflammatorisch. Es aktiviert sowohl die Zellen des angeborenen als auch jene des erworbenen oder adaptiven Immunsystems und sorgt dafür, dass sich diese Zellen schneller und effizienter bewegen und mehr proinflammatorische Zytokine produzieren. Außerdem bewirkt eine Zunahme von Adipozyten einen Sauerstoff- und Nährstoffmangel im Fettgewebe. Zellen, die einen Sauerstoff- oder Nährstoffmangel haben, erfahren Stress und produzieren proinflammatorische Zytokine. Bedingt durch diese zweigliedrige Zunahme an proinflammatorischen Zytokinen kann es zu einer niedrig gradigen Entzündung kommen, die schwerwiegende Auswirkungen auf die normale Physiologie unseres Immunsystems hat. Krankheitsbilder wie Osteoarthritis, rheumatoide Arthritis und Psoriasis stehen alle im Zusammenhang mit einem gestörten Leptinhaushalt.
Auch bei der aktuellen Corona-Pandemie scheint Leptin eine Rolle bei der Hyperinflammation und dem Auftreten von Komplikationen zu spielen, die den Verlauf von COVID-19 verschlimmern.
In einer Welt, in der der Bevölkerungsgrad so hoch ist, dass ein großer viraler Druck herrscht, ist es folglich sehr wichtig, dass wir uns selbst optimal vor den Folgen viraler Infektionen schützen können. Eine Verringerung der Leptinresistenz und eine Erhöhung der Leptinempfindlichkeit - unter anderem durch einen Abbau des überschüssigen Fettgewebes - können dazu beitragen.
?Ein guter Leptinhaushalt ist ein wichtiger Mechanismus für die Erhaltung der Gesundheit. Eine Virusinfektion können wir nicht verhindern, aber die Art und Weise, wie unser Körper auf virale (und andere) Infektionen reagiert, lässt sich recht gut beeinflussen. Mit Interventionen zur Regulierung des Leptinhaushalts können Sie Ihren Patienten präventiv und kurativ helfen, ihre Gesundheit zu verbessern und die Wirkung von Virusinfektionen abzuschwächen.
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