Stress und Schlafprobleme verstärken sich gegenseitig

Mittwoch 5-Mai-2021

Mehrere Studien haben gezeigt, dass psychosozialer Stress mit der Entwicklung von Schlafproblemen in Zusammenhang steht [1–3]. Im Umkehrschluss beeinflusst eine schlechte Schlafqualität, zum Beispiel durch eine (zu) kurze Schlafdauer oder viele Schlafunterbrechungen, die während des Tages erlebte [4,5]Stressempfindlichkeit. Es ist kein Zufall, dass Stress und Schlafprobleme so eng miteinander verbunden sind. Betrachtet man die zugrundeliegenden Wirkmechanismen, die an der Regulation von Stress und Schlaf beteiligt sind, ist es naheliegend, dass sich Stress und Schlafprobleme gegenseitig verstärken.

Cortisol hat einen zirkadianen Rhythmus

Cortisol, das sogenannte Stresshormon, wird nach Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) produziert. Wenn wir Stress ausgesetzt sind, wird vom Gehirn über den Hypothalamus und die Hypophyse ein Signal an die Nebenniere gegeben, um Cortisol zu produzieren. Cortisol sorgt dann dafür, dass genügend Energie vom Körper freigesetzt wird, um angemessen auf den Stress zu reagieren. Nicht nur Stress führt zu einem Anstieg der Cortisolkonzentration im Blut. Cortisol wird auch am frühen Morgen produziert und sorgt dafür, dass wir aufwachen und den Tag energiegeladen beginnen können. Dies wird auch als die „cortisol awakening response“ (Cortisolaufwachreaktion) bezeichnet. Die höchste Cortisolkonzentration wird im Allgemeinen etwa 30 bis 45 Minuten nach dem Aufwachen gemessen [6]. Am Ende des Tages sinkt die Produktion von Cortisol aber. Dieser Prozess findet unter dem Einfluss des Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus statt. Dieses Kerngebiet ist an der Regulierung des Biorhythmus beteiligt und reagiert auf äußere Faktoren, von denen das Tageslicht der wichtigste ist [7].

Melatonin und Schlaf

Unser Schlafhormon Melatonin wird erst am Ende des Tages in größeren Mengen produziert. Die Produktion von Melatonin findet in der Zirbeldrüse statt und steht auch unter dem Einfluss des Nucleus suprachiasmaticus und damit des Tageslichts. Abends, wenn es anfängt, dunkel zu werden, steigt die Melatoninproduktion, und wir werden schläfrig. Eine optimale Melatoninproduktion sorgt für eine gute Schlafqualität [8], ohne Einschlafstörungen und ohne Unterbrechungen.

Der Einfluss von Stress auf die Schlafqualität

Es wird behauptet, dass Melatonin und Cortisol Antagonisten sind und nicht zur gleichen Zeit einen hohen Spiegel im Körper haben können. Dies ist zum Beispiel während des Aufwachens sichtbar. Der Anstieg von Cortisol wird dann von einem starken Abfall von Melatonin begleitet [9]. Dies ist ein gewünschter Effekt am Morgen, wenn wir energiegeladen in den Tag starten. Jedoch beeinflusst Cortisol auch die Schlafregulation in den Abendstunden. Erhöhte Cortisolspiegel am Abend werden mit einer verminderten Schlafqualität in Verbindung gebracht [10]. Es ist daher nicht schlaffördernd, am Abend Stress zu erleben.


Schlechte Schlafqualität führt zu höheren Cortisolwerten am Tag

Schlaf, insbesondere Tiefschlaf (Slow-Wave-Schlaf), hemmt die Aktivität der HPA-Achse. Weitere Informationen zu den verschiedenen Schlafphasen finden Sie im Artikel: Ausgeruht aufwachen 'So funktioniert der Schlafzyklus'. Eine schlechte Schlafqualität, beispielsweise hervorgerufen durch eine kurze Schlafdauer, geht daher mit höheren Cortisolwerten im Blut einher [11]. Außerdem führt eine schlechte Schlafqualität dazu, dass wir anfälliger für Stress sind und unsere Stimmung schlechter wird [4,12,13]. Es ist nicht ganz klar, wie sich Schlafmangel auf das Stressempfinden und die Emotionen auswirkt, aber es wurde vermutet, dass Schlafmangel zu einer Verringerung der für die Regulierung von Verhalten und emotionalen Erfahrungen verfügbaren Energie führt [14]. Eine gute Nachtruhe hilft uns also, besser mit Stress umzugehen und verbessert unsere Stimmung.

Wissen in der Praxis

Die Systeme, die an der Regulation von Stress und Schlaf beteiligt sind, sind eng miteinander verbunden. Es ist nicht überraschend, dass sich Stress und Schlafprobleme gegenseitig verstärken. Um die Schlafqualität zu verbessern, können stressreduzierende Maßnahmen, wie Meditation und ausreichend Bewegung, zum Einsatz kommen. Sowohl die Schlafdauer als auch die Schlafqualität können mit adaptogenen Pflanzen wie Valeriana officinalis (Baldrian), Passiflora incarnata und Withania somnifera (Ashwagandha) verbessert werden. Diese Pflanzen haben stressreduzierende und schlaffördernde Eigenschaften [15–17]. Auch Gamma-Aminobuttersäure (GABA) kann zu einer Hemmung der Aktivität der HPA-Achse führen [18]. Griffonia simplicifolia ist reich an 5-HTP, der Vorläufersubstanz von Melatonin [19], und wird bei Schlafproblemen eingesetzt. Weitere praktische Hilfsmittel zur Behandlung von Schlafproblemen finden Sie in diesem Artikel: Praxiswissen: Schlafprobleme.

Literatur

1. Åkerstedt T, Lekander M, Petersén H, Kecklund G, Axelsson J. Sleep polysomnography and reported stress across 6 weeks. Ind Health. 2014;52(1):36–42.

2. Almojali AI, Almalki SA, Alothman AS, Masuadi EM, Alaqeel MK. The prevalence and association of stress with sleep quality among medical students. J Epidemiol Glob Health. 2017 Sep;7(3):169–74.

3. Mezick EJ, Matthews KA, Hall M, Kamarck TW, Buysse DJ, Owens JF, et al. Intra-individual variability in sleep duration and fragmentation: associations with stress. Psychoneuroendocrinology. 2009 Oct;34(9):1346–54.

4. Kim HJ, Oh SY, Joo JH, Choi D-W, Park E-C. The Relationship between Sleep Duration and Perceived Stress: Findings from the 2017 Community Health Survey in Korea. Int J Environ Res Public Health. 2019 Sep 3;16(17).

5. Blaxton JM, Bergeman CS, Whitehead BR, Braun ME, Payne JD. Relationships Among Nightly Sleep Quality, Daily Stress, and Daily Affect. J Gerontol B Psychol Sci Soc Sci. 2017 May 1;72(3):363–72.

6. Boggero IA, Hostinar CE, Haak EA, Murphy MLM, Segerstrom SC. Psychosocial functioning and the cortisol awakening response: Meta-analysis, P-curve analysis, and evaluation of the evidential value in existing studies. Biol Psychol. 2017 Oct;129:207–30.

7. de Punder K, Heim C, Entringer S. Association between chronotype and body mass index: The role of C-reactive protein and the cortisol response to stress. Psychoneuroendocrinology. 2019 Nov;109:104388.

8. Cheng T-C, Lee Y-H, Chang Y-P, Lee D-C. Improved urinary melatonin level as the perspective indicator that leads to better sleeping quality in bladder cancer patients. Therapeutic Advances in Urology. 2020 Jan;12:175628722094087.

9. Ramachandran N, Smyth N, Thorn L, Eardley A, Evans P, Clow A. Relationship between post-awakening salivary cortisol and melatonin secretion in healthy participants. Stress. 2016;19(2):260–3.

10. Rodenbeck A, Huether G, Rüther E, Hajak G. Interactions between evening and nocturnal cortisol secretion and sleep parameters in patients with severe chronic primary insomnia. Neurosci Lett. 2002 May 17;324(2):159–63.

11. Nicolaides NC, Vgontzas AN, Kritikou I, Chrousos G. HPA Axis and Sleep. In: Feingold KR, Anawalt B, Boyce A, Chrousos G, de Herder WW, Dungan K, et al., editors. Endotext [Internet]. South Dartmouth (MA): MDText.com, Inc.; 2000 [cited 2021 Mar 4]. Available from: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279071/

12. Hirotsu C, Tufik S, Andersen ML. Interactions between sleep, stress, and metabolism: From physiological to pathological conditions. Sleep Science. 2015 Nov;8(3):143–52.

13. Prather AA, Bogdan R, Hariri AR. Impact of Sleep Quality on Amygdala Reactivity, Negative Affect, and Perceived Stress. Psychosomatic Medicine. 2013 May;75(4):350–8.

14. Zohar D, Tzischinsky O, Epstein R, Lavie P. The effects of sleep loss on medical residents’ emotional reactions to work events: a cognitive-energy model. Sleep. 2005 Jan;28(1):47–54.

15. Shinjyo N, Waddell G, Green J. Valerian Root in Treating Sleep Problems and Associated Disorders—A Systematic Review and Meta-Analysis. J Evid Based Complementary Altern Med. 2020 Jan 1;25:2515690X2096732.

16. Lee J, Jung H-Y, Lee SI, Choi JH, Kim S-G. Effects of Passiflora incarnata Linnaeus on polysomnographic sleep parameters in subjects with insomnia disorder: a double-blind randomized placebo-controlled study. International Clinical Psychopharmacology. 2020 Jan;35(1):29–35.

17. Langade D, Thakare V, Kanchi S, Kelgane S. Clinical evaluation of the pharmacological impact of ashwagandha root extract on sleep in healthy volunteers and insomnia patients: A double-blind, randomized, parallel-group, placebo-controlled study. Journal of Ethnopharmacology. 2021 Jan;264:113276.

18. Ngo D-H, Vo TS. An Updated Review on Pharmaceutical Properties of Gamma-Aminobutyric Acid. Molecules. 2019 Jul 24;24(15):2678.

19. Maffei ME. 5-Hydroxytryptophan (5-HTP): Natural Occurrence, Analysis, Biosynthesis, Biotechnology, Physiology and Toxicology. Int J Mol Sci. 2020 Dec 26;22(1).