Melatonin ist vor allem als Schlafhormon bekannt. Es ist ein Peptidhormon, das vor allem von der Epiphyse, einem neuroendokrinen Organ im Gehirn, produziert und ausgeschüttet wird. Die Hauptaufgabe des von in der Epiphyse produzierten Melatonins besteht in der Tat darin, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu regulieren, aber Melatonin beeinflusst auch die zirkadianen Rhythmen der Muskeln, der Leber und der Bauchspeicheldrüse. Auf diese Weise wirkt es als Regulator des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels [1].
Die Melatonin-Synthese wird durch den Nucleus suprachiasmaticus im Hypothalamus reguliert [2]. Dieser Kern reagiert auf externe Faktoren, von denen der wichtigste das Tageslicht ist. Melatonin wird hauptsächlich bei Dunkelheit produziert. Die Melatoninwerte im Blut sind nachts 5-10 mal höher als tagsüber [1]. Das Melatonin-Molekül kann die Blut-Hirn-Schranke leicht passieren und jede Zelle im Körper erreichen. Melatonin wird übrigens nicht nur in der Epiphyse erzeugt, sondern Zellen können auch lokal Melatonin produzieren. Die Produktion von Melatonin außerhalb der Epiphyse folgt jedoch keinem zirkadianen Rhythmus, und dieses Melatonin fungiert oft als Antioxidans [2].
Neben den Auswirkungen von Melatonin auf den Schlaf-Wach-Rhythmus und den Stoffwechsel hat Melatonin auch eine starke antioxidative Wirkung. Freie Radikale fallen als Nebenprodukt des Energiestoffwechsels an und können Makromoleküle wie DNA, Lipide und Proteine schädigen. Dies wird als oxidativer Stress bezeichnet. Melatonin neutralisiert diese freien Radikale, stimuliert die Expression und Aktivität verschiedener antioxidativer Enzyme und hemmt die Aktivität pro-oxidativer Enzyme, wie z. B. des Enzyms Stickstoffmonoxid-Synthase (NOS) [3].
Melatonin kommt in allen Körperzellen vor. Die höchste Konzentration von zellulärem Melatonin findet sich in den Mitochondrien, den Energiefabriken der Zelle. Da in den Mitochondrien viele Sauerstoffradikale produziert werden, wird Melatonin auch als „mitochondriales Antioxidans“ bezeichnet [4]. Die antioxidative Wirkung von Melatonin ist besonders wichtig für den Schutz von Spermatozoen und Eizellen. Der Grund dafür ist, dass die Geschlechtszellen aufgrund der hohen Anzahl von Mitochondrien sehr empfindlich gegenüber oxidativem Stress sind [5–7].
Zellen des Immunsystems verfügen ebenfalls über Melatoninrezeptoren. Melatonin kann daher die Aktivität des Immunsystems beeinflussen und wird vor allem als immunmodulatorische Substanz angesehen. Melatonin kann das Immunsystem unterstützen, wenn eine Immunsuppression vorliegt und sorgt dafür, dass eine virale oder bakterielle Infektion effektiver bekämpft werden kann. Gleichzeitig kann Melatonin einer übermäßigen Immunantwort entgegenwirken, wie es bei neurodegenerativen Krankheitsbildern oder Autoimmunerkrankungen der Fall ist, und hat eine schützende Wirkung bei Blutvergiftung (Sepsis) [8].
Melatonin spielt auch eine Rolle bei der Alterung des Immunsystems. Dieser Alterungsprozess wird auch als „Immunoseneszenz“ bezeichnet und wird mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, Stoffwechselstörungen und Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht. Die Produktion von Melatonin (und anderen Hormonen) nimmt mit dem Alter ab, und diese Abnahme überschneidet sich mit einer verminderten Funktion des Immunsystems. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Melatonin den nachteiligen Auswirkungen der Immunoseneszenz entgegenwirken kann [9].
Melatonin ist vor allem als Schlafhormon bekannt, hat jedoch neben seiner schlaffördernden Wirkung auch eine Funktion als Antioxidans und Modulator des Immunsystems. Das bedeutet, dass Melatonin auch bei Krankheitsbildern, die mit übermäßigem oxidativem Stress und Entzündungen assoziiert sind, einschließlich neurodegenerativer Krankheitsbilder und Autoimmunerkrankungen, von Nutzen sein kann. Darüber hinaus kann Melatonin die Fruchtbarkeit unterstützen, indem es die Mitochondrien in den reproduktiven Zellen schützt.
1. Ivanov DO, Evsyukova II, Mironova ES, Polyakova VO, Kvetnoy IM, Nasyrov RA. Maternal Melatonin Deficiency Leads to Endocrine Pathologies in Children in Early Ontogenesis. Int J Mol Sci [Internet]. 2021 Feb 19 [cited 2021 Mar 9];22(4). Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7922827/
2. Tarocco A, Caroccia N, Morciano G, Wieckowski MR, Ancora G, Garani G, et al. Melatonin as a master regulator of cell death and inflammation: molecular mechanisms and clinical implications for newborn care. Cell Death & Disease. 2019 Apr 8;10(4):1–12.
3. Reiter RJ, Mayo JC, Tan D-X, Sainz RM, Alatorre-Jimenez M, Qin L. Melatonin as an antioxidant: under promises but over delivers. Journal of Pineal Research. 2016;61(3):253–78.
4. Reiter RJ, Tamura H, Tan DX, Xu X-Y. Melatonin and the circadian system: contributions to successful female reproduction. Fertil Steril. 2014 Aug;102(2):321–8.
5. Xu H, Mu X, Ding Y, Tan Q, Liu X, He J, et al. Melatonin alleviates benzo(a)pyrene-induced ovarian corpus luteum dysfunction by suppressing excessive oxidative stress and apoptosis. Ecotoxicol Environ Saf. 2021 Jan 1;207:111561.
6. Yi S, Xu J, Shi H, Li W, Li Q, Sun Y-P. Association between melatonin receptor gene polymorphisms and polycystic ovarian syndrome: a systematic review and meta-analysis. Biosci Rep. 2020 Jun 26;40(6).
7. Kumar J, Verma R, Haldar C. Melatonin ameliorates Bisphenol S induced testicular damages by modulating Nrf-2/HO-1 and SIRT-1/FOXO-1 expressions. Environ Toxicol. 2021 Mar;36(3):396–407.
8. Carrillo-Vico A, Lardone PJ, Alvarez-Sánchez N, Rodríguez-Rodríguez A, Guerrero JM. Melatonin: buffering the immune system. Int J Mol Sci. 2013 Apr 22;14(4):8638–83.
9. Arlt W, Hewison M. Hormones and immune function: implications of aging. Aging Cell. 2004 Aug;3(4):209–16.