Traditionelle Medizin
Viele halten den Ingwer für ein typisch fernöstliches Gewürz, aber schon die alten Griechen kannten ihn als Arznei und im Jahre 43 vor Christus führten die Römer ihn beim Einmarsch nach England als Feldarznei mit. Die Spanier nahmen die Pflanze mit nach Amerika. Die Ver-wendung von frischem Ingwer ist seit vielen Jahrhunderten bekannt. Ingwersprossen können zum Beispiel für die Zubereitung von Ingwertee verwendet werden oder für einen lindernden Umschlag bei Schnupfen oder Muskelschmerzen. Außerdem können aus frischem Ingwer kandierter Ingwer, Ingwerpulver und Ingwerextrakt hergestellt werden. Jede Form des Ingwers hat ihre eigenen Vorzüge und Vorteile. Und jede Form von Ingwer hat medizinische Eigen-schaften, selbst Ingwerkonfitüre!
Aufgrund seiner Schärfe wurde der Ingwer schon in früher Zeit von Ärzten zum Wärmen des Magens und zum Lindern von Erkältungen verwendet. Der flämische Naturforscher Jan Baptist van Helmont (1579-1644) beschrieb Ingwer als „acrio-aromatisch“ und vermutete, dass er die wärmeempfindlichen Sinneszellen des Magens stimuliere und so dem Magen ein Gefühl der Wärme vermittle. In Jahr 1597 schrieb der englische Botaniker John Gerard das Folgende über Ingwer: „Er wärmt, regt die Verdauung an und ist wohltuend für den Magen.“ Im 18. Jahrhundert fügten ihn die Apotheker zu allen möglichen Heilmitteln hinzu, um die Wirkung dieser Heilmittel zu verbessern (zu Recht, denn Ingwer fördert die Aufnahme von Wirkstoffen in den Organismus) und um Magenreizungen zu lindern (auch dies ist korrekt, da Ingwer die Magenschleimhaut schützt).
Außerdem wurde Ingwer zur Anregung der Verdauung bei Koliken, Blähungen und Darm-trägheit verabreicht. Diese traditionellen medizinischen Anwendungen wurden von der mo-dernen Forschung wissenschaftlich bestätigt. Es wurde festgestellt, dass Ingwer tatsächlich carminative und spasmolytische Eigenschaften besitzt. Die Chinesen verwenden frische Ing-wersprosse – sheng jiang – als schweißtreibendes und schleimlösendes Mittel bei Erkältungen. Sie rösten die Sprosse in heißer Asche und verwenden dies gegen Durchfall und zur Stillen von Blutungen. Getrocknete Sprosse – gan jiang – verwenden sie zum Wärmen von Magen und Lunge und als Mittel zur Wiederherstellung eines verringerten oder geschwächten „yang“.
Im Westen hat frischer Ingwer in den letzten Jahren eine hohe Popularität als Vorbeugungs-mittel gegen die Reisekrankheit erlangt.
In der Vielzahl der pharmakologischen Eigenschaften spiegeln sich direkt die Komplexität und die wechselseitigen Interaktionen der aktiven Bestandteile wider. Bei so gut wie keiner ande-ren Pflanze wurden so viele verschiedene Wirkstoffe analysiert und identifiziert und so viele pharmakologische Eigenschaften so detailliert untersucht wie beim Ingwer (Zingiber officina-le).
Betrachtet man die traditionellen Anwendungen von Ingwer in früheren Zeiten, wird deutlich, dass Ingwer hauptsächlich als verdauungsförderndes Mittel eingesetzt wurde. Moderne klini-sche Studien haben die Wirksamkeit von Ingwer in diesem Bereich bestätigt. Tierversuche und/oder Untersuchungen am Menschen haben unter anderem gezeigt, dass standardisierte Extrakte des Ingwersprosses die Magen-Darm-Schleimhaut schützen, die Aufnahme von Vi-taminen und Mineralien steigern (um bis zu 200 %), vorbeugend gegen Reise- und Seekrank-heit wirken (Übelkeit und Erbrechen verhindern), die Gallenabsonderung stimulieren und die Leberzellen vor giftigen Chemikalien schützen.
Außerdem besitzt Ingwer zahlreiche weitere Eigenschaften, die alle äußerst interessant und untersuchenswert sind. Wenn alle pharmakologischen Eigenschaften des Ingwers in Katego-rien zusammengefasst würden, dann würde sich zeigen, dass die Wirkstoffe des standardisier-ten Extrakts des Ingwersprosses eine direkte Wirkung auf alle Verdauungsorgane, die Biosyn-these von Prostaglandin und die Herz- und Blutgefäße ausüben.
Besonders beeindruckende pharmakologische Eigenschaften:
Wirkprinzip
Im Jahr 1879 isolierten und identifizierten Pharmakologen die ersten Wirkstoffe des Ingwers. Es handelte sich dabei um die Phenylalkylketone 6-Gingerol und 6-Shogaol. Das Gingerol des frischen Ingwers wandelt sich in Shogaol um, wenn der Spross getrocknet und erhitzt wird. Durch diese Umwandlung oder Umbildung von Wirkstoffen erschließt sich eine überraschende Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten. Gingerol stimuliert die Leberfunktion und Shogaol übt eine vorwiegend analgetische und entzündungshemmende Wirkung aus. Die Wirkung von Ingwerpulver ist 10-mal stärker als die von frischem Ingwer und es enthält mehr biologisch wirksame Inhaltsstoffe und mehr Nährstoffe als frischer Ingwer. Ingwerextrakte wer-den mithilfe von Wasser und Alkohol hergestellt, wobei eine Kombination aus Ingwerpulver und frischem Ingwersaft verwendet wird. Diese Kombination aus Pulver und Saft führt zu einer erhöhten Konzentration von Wirkstoffen. Außerdem tritt ein synergistischer Effekt auf (gegen-seitige Verstärkung). Der Ingwerextrakt ist 30-mal stärker als frischer Ingwer und 3-mal stärker als Ingwerpulver. Standardisierte Ingwerextrakte enthalten eine garantierte Menge von Wirk-stoffen, mindestens 5 % Phenylalkylketone mit Gingerol, Shogaol und Zingeron. Der Spross enthält außerdem Zingibain, ein proteolytisches und proteinaufschließendes Enzym, das mit Papaya und Bromelain vergleichbar ist. Obwohl der Spross nur 2 % Zingibain enthält, ist Zin-gibain die stärkste natürlich vorkommende Quelle von proteolytischen oder proteinaufschlie-ßenden Enzymen. Zingibain sogar 180-mal wirksamer als Papaya! Diese enzymatische Wirkung bedeutet, dass Ingwersprossenextrakte besonders wertvoll zur Unterstützung und Verbesse-rung der Verdauung sind. Außerdem hat Zingibain eine entzündungshemmende und ab-wehrsteigernde Wirkung.
Forschung
Ursprünglich war vom Ingwer vorwiegend nur seine allgemein verdauungsfördernde Wirkung bekannt. Später wurde die schützende und stärkende Wirkung des Ingwers auf den Magen entdeckt. Gut fundierte Untersuchungen haben gezeigt, dass Ingwerextrakt bemerkenswert effektiv und zuverlässig gegen Reisekrankheit wirkt. Durch Einnahme einer 500-mg-Kapsel Ingwersprossenextrakt mindestens 3 Stunden vor Reiseantritt (Auto, Schiff oder Flugzeug) mit Fruchtsaft oder Wasser (eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit), können Übelkeit und Erbre-chen verhindert werden. Ingwersprossenextrakte helfen außerdem gegen Übelkeit bei Che-motherapie oder nach Operationen. Tierversuche haben gezeigt, dass besonders Shogaol und Gingerol starke antiemetische Eigenschaften besitzen. Bei Studien am Menschen hat sich gezeigt, dass neben der Wirksamkeit von Ingwersprossenextrakt gegen Reisekrankheit auch Schwangerschaftsübelkeit und postoperative Übelkeit nach gynäkologischen Eingriffen deut-lich zurückgingen. In ihrer Monographie zu Ingwer nennt die ESCOP als Indikation die Vorbeu-gung gegen Reisekrankheit (Übelkeit and Erbrechen) und postoperative antiemetische Vor-beugung bei kleineren chirurgischen Eingriffen (ambulanten Behandlungen).
Weiterführende Forschung
Weitere Studien haben sich vor allem auf die entzündungshemmenden und analgetischen Wirkungen von Ingwersprossenextrakt konzentriert. Die Wissenschaftler haben untersucht, ob Ingwersprossenextrakt eine schmerzlindernde Wirkung bei rheumatoider Arthritis ausübt. Bei dieser Erkrankung verschreiben Ärzte normalerweise Medikamente wie Aspirin, Diclofenac oder Ibuprofen (nichtsteroidale Antiphlogistika). Diese Medikamente bewirken tatsächlich eine kurzzeitige Linderung. Allerdings verursachen sie leider oft auch Nebenwirkungen wie beispielsweise Reizungen der Magen-Darm-Schleimhaut, die zu Entzündungen oder Ge-schwürbildungen führen können, was zusätzliche Medikamente erforderlich macht. Dies führt zu einem Dominoeffekt: Um die Nebenwirkungen von Medikamenten oder ihre gegenseiti-gen Wechselwirkungen zu kompensieren, sind weitere Medikamente erforderlich. Dieser Do-minoeffekt tritt auf, weil nichtsteroidale Antiphlogistika alle Prostaglandine neutralisieren, da-runter auch PGI-2, das die Schleimhaut schützt.
Eigenschaften
Ingwerextrakt hat so viele Anwendungen, dass es nützlich sein kann, hier einen Überblick über seine wichtigsten pharmakologischen Eigenschaften zu geben:
Allergische Reaktionen können bei örtlicher Anwendung von frischem Ingwer oder Ingwer-pulver bei entsprechend empfindlichen Personen auftreten.